Sonntag, 2. Januar 2011

Daisy

Ursula Karthein

Mäuse will niemand im Haus haben: Sie könnten Hanta-Viren übertragen und Stromkabel anknabbern. Darauf jedenfalls beschränkte sich mein Wissen über die kleinen Nager.
Daisy belehrte mich eines anderen. Im letzten Winter fiel sie mir erstmals auf, weil sie sich im Garten am Vogelfutter bedient hatte. Sie verputzte es in ihrem Versteck. Wie ich später feststellte, lag dieser geheime Ort hinter meiner Schlafzimmer-Kommode. Als ich die leeren Hülsen der Sonnenblumenkerne entdeckte, lächelte ich (noch) milde. Wie schön: Das niedliche Wesen überlebte die strenge Kälte und musste nicht verhungern.
Ein halbes Jahr später entdeckte ich an selber Stelle wieder einen kleinen Haufen. Diesmal waren es Blätter. Ich dachte sofort an Daisy, die ich inzwischen so nannte. Baute sie ein Nest? Mir wurde mulmig zumute. Nein! Kleine Daisys möchte ich nicht in meiner Wohnung haben. Sie gebären nicht nur zwei oder drei Junge… bei Mäusen spricht man von Wurf.

„Da kann nur der Nabu helfen“, dachte ich. Ein hilfsbereites Vereins-Mitglied lachte aus tiefem Herzen, als ich meine Story erzählte. Ich fand es ja auch ein bisschen lustig. Der junge Mann empfahl mir ein Pulver. Zudem streifte er das Thema Mausefalle, was ich von mir wies. Kein Tier wird bei mir getötet.

Ich recherchierte im Internet. Unter „Hexenküche.de“ stand unter anderem: Pfefferminz-Pflanzen und Oleander vertreiben Mäuse. Ich erwarb beides. Die Verkäuferin fand, in meinem Schlafzimmer sei ja eine Menge los. „Wie vor 40 Jahren“, antwortete ich verwegen.

Daisy ließ sich jedoch nicht abschrecken. Jeden Abend fand sie den Weg in den Schlafraum… und ab durch die Tür nach draußen. Zum Futter!
Da sie oft auch von meinem Arbeitszimmer kam, untersuchte ich den Bettkasten der dortigen Couch. Aha! Kleine Knödel häuften sich auf den Laken für die Übernachtungsgäste.
Auf der Couch schläft üblicherweise meine Hündin Yulia. Was, wenn sie mit Daisy kurzen Prozess machte? Das wollte ich keinesfalls.  
Als der Schmutz immer mehr zunahm, entschloss ich mich zum Kauf einer Lebendfalle. Ich bestückte sie mit Bio-Salami und stellte sie abends auf. Ein Geschirrtuch, darüber drapiert, sollte Daisy und mir den schrecklichen Anblick ersparen.
Morgens fand ich die Maus in der Falle. Ich redete beruhigend auf sie ein und fuhr mit ihr in Richtung Ober-Mörlen. Zwischen Wald und Wiese ließ ich sie frei. Ich wünschte ihr alles Liebe für ihr weiteres Leben.
„Nun ist’s vorbei“, dachte ich. „Du hast ein gutes Werk getan, der Mäusegott wird dich belohnen.“

Teil zwei – die Belohnung…

Freitagabend, 30. Juli 2010. Mario Barth machte seine Späße im TV, als mir plötzlich das Lachen im Hals steckenblieb.
Eine Maus huschte an mir vorbei. War es Daisy – oder ihr Mann Anton? Sein kurzer Blick war wie: „Mach dir keine Sorgen, ich kenne mich aus.“ Anton verschwand im Arbeitszimmer unter der Couch.
Die Falle lag noch griffbereit. Ich bestückte sie mit Hundefutter von Yulia.
Nächster Morgen: Futter weg, Falle noch gespannt und Anton im Bettkasten unter der Couch. Ich kaufte erneut Bio-Salami, gut geräuchert und von Gourmet-Qualität.

„Danach geht’s ab zu Daisy. Die zwei müssen sich wieder finden“, nahm ich mir vor.

Sonntag früh, 1. August 2010: In der Falle lag ein winziges Etwas. Es sah absolut nicht nach stattlichem Anton aus, eher eine halbwüchsige Tochter von Daisy. Natürlich ein Mädchen – ich bin Feministin.
Auch Maisy, wie ich sie nannte, wurde ausgesetzt. Dort, wo ihre Mama war.

Bis jetzt keine Mäuse mehr.


Copyright Ursula Karthein

2 Kommentare:

  1. Dat haste wohl nur so gedacht :>

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  2. Oh je, _jetzt_ weiß ich, wo Pieps hin unterwegs ist, *ggg*.

    Aber die Geschichte finde ich sehr nett, besonders der schöne Sinn für Humor gefällt mir sehr gut.

    Slc

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