Montag, 2. Juli 2012

Schwarz 2

Michael Neid

Durch den Dunst, der wohl wirklich mehr in meinem Kopf wabert, denn kaum jemand raucht hier, suche ich mir einen neuen Platz. In einer Ecke, abseits von all diesen lärmenden Menschen mit ihrem Drang nach Bestätigung und Belustigung, finde ich ihn. Ein leeres Sofa. Gemütlich und einladend auf den ersten Blick. Sogar weit genug entfernt von den Tapetenmustern. Vielleicht ist es voller Maden und Würmer und deshalb noch unbesetzt. Tatsächlich sehe ich welche, doch irgendetwas sagt mir, dass dies eigentlich nicht sein kann, also setze ich mich und versuche, etwas von einer inneren Ruhe zu finden. Nur mein Glas fehlt mir. Die Theke, wo es den Nachschub gibt, ist gerade unermesslich weit weg. So weit, dass ich mich schon als staubtrockene Mumie auf einem wurmzerfressenen Sofa sehe, zurückgelassen in den weiten Hallen königlicher Feste. Aber es ist mir unmöglich, meine sitzende Haltung zu verlassen. Alternativ käme nur eine liegende in Frage, aber soweit mag ich mich dann doch nicht demütigen. Aufstehen hieße, sich in schwindelerregende Höhen zu begeben und dies unter Bedingungen, in denen das Gleichgewicht arg leidet.

Noch mit diesen sinnlosen Gedanken beschäftigt sehe ich, dass der Nachschub rollt. Und zwar in Form einer gutaussehenden Dunkelhaarigen, welche sich mir mit zwei Bieren nähert. Ich habe mich immer gefragt, warum sich weibliche Götter dazu herablassen, mit angetrunkenen und vollgekifften Idioten zu verkehren. Diesmal bin ich einer dieser auserwählten Idioten. Gut so. Sehr gut. Sie hält weiter Kurs auf mich. Und sie lächelt, es gibt keinen Zweifel, dass sie mich meint. Vielleicht ist es Mitleid? In einem Sekundenblitz tut sich eine ganze Gedankenwelt wie ein fernes Gebirge im Nebel vor mir auf: Frauen, die nur aus Mitleid mit Männern schlafen. Oder aus Berechnung? Männer, die glauben, sie hätten alle Fäden in der Hand und dabei gar nicht merken, dass sie es sind, die wie Marionetten auf einer Kinderbühne unter den Händen ihrer Besitzerin zappeln. Sich blind in Kriege, Hochzeiten oder sonstigen Unsinn stürzen, weil die Besitzerinnen es wollen. Ist es zu billig, es auf eine reine Geschlechterfrage zu reduzieren?     
                                                                                                  Fortsetzung folgt


Copyright Michael Neid



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