Donnerstag, 30. Dezember 2010

Der Glückfinder

Petra Ihm-Fahle

Seit einiger Zeit stimmte etwas nicht mit Matthias Meier und seinem Glück. Alles lief ihm aus dem Ruder. Er ließ die Schachtel mit den Eiern fallen, wenn er vom Einkaufen kam. Er wurde erwischt, als er den Schmidts die Illustrierte aus dem Briefkasten klaute. Er trat in einen Hundehaufen – mit Badeschlappen. Bravo! Matthias wurde bewusst: Er musste dem Glück auf die Sprünge helfen. Jedoch wusste er nicht, wie.

Als er eines Tages einen Blick in die Tageszeitung warf, fiel ihm eine Anzeige auf. Ein Glückfinder namens Hans von Glück (sicher hieß der gute Mann völlig anders) warb für seine Dienste: Mit einem Fingerschnippen locke er Fortuna aus der Reserve.

Matthias glaubte an so etwas. Einmal hatte eine Wahrsagerin ihm die Zukunft vorausgesagt. Alles hatte sich nicht erfüllt, doch einiges traf zu seiner vollsten Zufriedenheit ein.    


Matthias rief Hans von Glück an und vereinbarte ein Treffen.

Beim Telefonat erfuhr er: Bereits für die Terminvereinbarung fielen 100 Euro an. Teuer, teuer! Doch die Investition werde sich lohnen, versprach der Glückfinder.

Sie trafen sich in der Wohnung des Manns. Wie das Türschild verriet, hieß er in Wahrheit „Helmke, Gerhard“. Alles dort war unordentlich und schmutzig. Lebensmittelverpackungen, Müllbeutel, Konservendosen, Bierflaschen und anderer Plunder lagen herum.
„Okay“, begann Helmke alias Hans. „Ich lese Ihnen aus der Hand.“
„Aha.“ Matthias hatte sich die Prozedur anders vorgestellt… geheimnisvoller. Aber gut, er fügte sich. Aufmerksam studierte Helmke die Linien, machte „hm“.
„Und?“, fragte Matthias.
„Wie heißen Sie? Matthias?“
„Sicher. Na, und?“  
„Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen. Das ist ein Name, der ‚matt’ macht.“
„Eigentlich heiße ich wie Tausende von Männern…“ 
Helmke winkte ab: „Ändern Sie Ihren Namen, da ist schon viel von Ihrer Last genommen. Ist die halbe Miete.“ Matthias hob die Augenbrauen. War das ein Scherz? 
„Wie sieht’s mit den Frauen aus?“, kam der Glückfinder  zum nächsten Thema. Sein Klient seufzte. Schlecht sah es aus, wie sonst? Seine Frau hatte ihn wegen eines anderen Manns verlassen. Sie wollte es so. Aus und vorbei. Helmke nickte nachdrücklich. „Liebe gehört zum Glück, ganz wichtig. Sie müssen sich mal ein bisschen bemühen, lernen Sie jemanden kennen.“ Niemals mehr, dachte Matthias entsetzt. Frauen kosten Geld, viel Geld!


Alsdann schaute Helmke ihm ins Gesicht, musterte sein Mienenspiel. „Sehr verkrampft das Ganze. Sie! Sie müssen lockerer werden, dann wird das schon. Ich empfehle Entspannungsübungen, beispielsweise das Progressive Muskeltraining. Vorher nehmen Sie eine Weile Baldrian – es dauert ein bisschen, bis sich die Übungen positiv auf ihren Geist auswirken.“ Sicher sei er bald ein Glückskind, meinte Helmke und schloss die Sitzung, nicht ohne nochmals 100 Euro für die Beratung gefordert zu haben – in bar.  

Matthias taumelte auf die Straße und ließ sich auf eine Bank fallen. So ein Blödsinn! Insgesamt hatte er 200 Euro für dieses Gerede berappt. Die reinste Verschwendung.

Er konnte froh sein, letzten Samstag den Jackpot gewonnen zu haben. 45 Millionen waren gar nicht so übel. Er musste nur noch lernen, das Geld nach Herzenslust auszugeben. Vielleicht fand er auch irgendwo eine weitere Annonce… auf dass ein anderer Glückfinder half.


Copyright Petra Ihm-Fahle 2010

3 Kommentare:

  1. Hat er doch gut gemacht, der Matthias. Nur 200 €! Und der Glücksfinder hat gar nicht gesehen, dass das Glück vor ihm steht. Schöne Geschichte.

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  2. Wie man sieht, macht Geld allein nicht glücklich, allerdings hilft es weiter, obwohl kleine Missgeschicke nicht unbedingt verhindert werden. Ob die entschwundene Gattin von dem Gewinn gewußt hat??

    Nachdenkenswert meint Klara.

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