Montag, 25. Juni 2012

Schwarz 1

Michael Neid


In Gruppen stehen sie beieinander, die Anderen, sie trinken und lachen, und irgendwie widern sie mich damit an. Nur Wortfetzen dringen an mein Ohr und erreichen mich trotzdem nicht. Vielleicht ist es diese zur Schau gestellte Ausgelassenheit, vielleicht die betonte Intelligenz, die mich abstößt. Vielleicht ist es auch einfach nur ungerecht von mir .
Der Empfang zu einer Kunstausstellung, so schön Vernissage genannt. Den Künstler kenne ich wohl, aber gemocht haben wir uns nie. Ich halte ihn für einen eingebildeten Fatzke, für was er mich hält, nun ja, da findet sich eine ganze Menge. Sicherlich hat er mich überhaupt nur eingeladen, um mir seinen grandiosen Erfolg und die Erbärmlichkeit meiner Werke vorzuführen. Seine Bilder erinnern mich an zu stark kolorierte Tapetenmuster.

Alles ohne Sinn und Inhalt wie diese ganze Feier hier. Immerhin, und das ist das Beste, es gibt ausreichend zu trinken und auch sonstige Leckereien. Irgend jemand, in einem für diesen Abend wirklich unnötig feinen Anzug, steht neben mir und redet angestrengt auf mich ein, durch den Dunst in meinem Drogenhirn nehme ich ihn kaum wahr. 

Dennoch ertrage ich es nicht, dieses leere Gerede nur um des Redens willen und wende mich betont ab. Es stört einfach beim Essen und Rauchen. Der Anzug plappert munter weiter und fasst mich ruppig an der Schulter, um mein Zuhören zu erzwingen. Das ist nun wirklich zu viel. Also lasse ich mein angefülltes Glas fallen und blicke ihm nach, wie es in unendlicher Zeitlupe, fast wie eine Feder, zu Boden gleitet und mit einer großartigen Explosion zerspringt. Der Inhalt, ein leuchtend roter Wein, spritzt auf und bildet kurz in der Luft ein Gebilde, fast wie eine Blume, bevor er sich über die nähere Umgebung verteilt. Um mich herum schreit es laut auf, der Anzug neben mir wischt sich ungeschickt sauber, ich stoße ihn mit einem Fluchen beiseite, so dass sich der Eindruck verfestigen mag, er mit seinem Schultergefummel sei Schuld an all den bösen Rotweinflecken. Genussvoll trete ich langsam auf die Scherben und spüre das Brechen und Knacken von Glas.          


                                        Fortsetzung folgt.


Copyright Michael Neid
     

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